In Volkswagens Diversity-Werkstatt entstehen gendergerechte Stellenanzeigen
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Praxisbeispiel In Volkswagens Diversity-Werkstatt entstehen gendergerechte Stellenanzeigen

Volkswagen verfolgt seit 1989 offiziell das Ziel den Frauenanteil auf allen Ebenen zu erhöhen. Mit der Recruiting-Kampagne „Hello possible“ und der Diversity-Werkstatt zur Neugestaltung von Stellenanzeigen arbeitet Volkswagen daran die Vielfalt der Bewerber*innen und damit die Vielfalt der Mitarbeiter*innen zu erhöhen.

„Im Volkswagen-Konzern teilen wir gezielt Best Practices miteinander,“ berichtet Elke Heitmüller, Leiterin des Konzern Diversity Management bei Volkswagen. „Bei Scania entstand die Idee Stellenanzeigen mit dem Fokus auf die Vorzüge der Position (anstelle der Anforderungen) zu formulieren, um den Frauenanteil unter den Bewerber*innen zu erhöhen. Bei Scania waren 40% der Bewerber der neu gestalteten Anzeige Frauen – doppelt so viele wie der durchschnittliche Anteil bei vergleichbaren Positionen. Diese Idee griffen wir auf und setzen sie in ersten Pilotbereichen in der VW AG um.“

In zweistündigen Terminen bringen Vertreter*innen des Diversity-Teams Personen zusammen, die Stellenanzeigen erstellen. In einer Diversity-Werkstatt entscheiden sich die Teilnehmer*innen für eine konkrete Stelle, für die eine Stellenanzeige geschaltet werden soll. „Wir hatten eine Stelle intern ausgeschrieben und nur 8 Bewerbungen bekommen. Leider hat uns keine/r der Bewerber*innen überzeugt. Da kam die Diversity-Werkstatt wie gerufen. Wir waren sehr neugierig, ob eine andere Gestaltungs- und Formulierungsweise die Bewerberzahl erhöhen könnte“, sagt Anette Cassel, Unterabteilungsleitung in der Technischen Entwicklung.

Tipp 1: Empfehlungen für die Erstellung einer Stellenanzeige:

  • Hoch qualifizierte Arbeitnehmer*innen haben häufig die Wahl, wo sie arbeiten möchten. Damit diese sich auf eine Stellenanzeige bewerben, muss diese Lust machen auf die Stelle und den Arbeitgeber. Die Anzeige sollte demnach die Vorzüge der Position in den Fokus rücken, nicht die Anforderungen der Stelle.
  • Studien zeigen, dass Frauen sich bei Stellenausschreibungen mit überwiegend maskulinen Eigenschaften weniger geeignet für die ausgeschriebene Stelle fühlen als bei Stellenausschreibungen mit überwiegend femininen oder neutralen Eigenschaften. Dieses „Gefühl“ spiegelt sich in der Bewerbungsintention wider. Männer hingegen fühlen sich bei allen geforderten Eigenschaften grundsätzlich geeignet. Hier gibt es keine Unterschiede in der Bewerbungsabsicht. Unternehmen gewinnen somit die meisten Personen für sich, wenn sie feminine oder neutrale genderspezifische Eigenschaften in ihren Stellenausschreibungen fordern. Daher empfehlen wir weiblich oder neutral konnotierte Begriffe zu verwenden.
  • Unbewusste Vorurteile beeinflussen uns auch bei der Formulierung von Stellenanzeigen. Gemachte Erfahrungen beispielsweise mit Personen, die diese Stelle bisher ausgefüllt haben, beeinflussen das Bild der benötigten Eigenschaften. Sich davon frei zu machen, hilft dabei offen zu formulieren. Sofern nicht bekannt sollten Erklärungen über die Wirkweise von unbewussten Vorurteilen und Beispiele gegeben werden.
  • Frauen bewerben sich seltener auf Stellenausschreibungen als Männer, wenn sie nicht alle Anforderungen erfüllen. Daher ist es wichtig nicht die „Eierlegende Wollmilchsau“ zu beschreiben, sondern die Fähigkeiten hervorzuheben, die essenziell sind.
  • Rahmenbedingungen können das Interesse an einer Stellenanzeige heben oder senken. Die proaktive Information über Rahmenbedingungen von Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben kann einen Ausschlag geben. Besonderheiten zum Team, die Atmosphäre im Team, die Räumlichkeiten oder die Situation der Abteilung (neu/ im Aufbau) können einen Anreiz darstellen, den es zu erwähnen lohnt. Besteht die Möglichkeit die Aufgabe in Teilzeit (zwei Teilzeitler*innen anstatt ein/e Vollzeitler*in) oder in Job-Sharing ausführen zu lassen, dann sollte diese Information aufgenommen werden.
  • Bei der Verwendung von Fotos sollte die gewünschte Diversität der Bewerber sich widerspiegeln.

„Nachdem uns erläutert wurde, worauf wir achten sollten, baten uns die Kolleginnen aus dem Diversity-Team über unseren Bereich und die zu besetzenden Aufgaben zu berichten. Besonders interessierte sie, warum wir gerne dort arbeiten und was unseren Bereich von anderen abhebt. Gemeinsam formulierten wir dann die Stellenanzeige.“

„Das Mehraugenprinzip und der gemeinsame Austausch über Formulierungen schärft den Fokus, deckt unbewusste Vorurteile auf und bringt unterschiedliche Perspektiven ein“, erklärt Elke Heitmüller. Im direkten Vergleich der Ausschreibungen von Frau Cassel für ein und dieselbe Stelle, einmal nach alt hergebrachter Erstellungsweise und einmal nach Formulierung innerhalb einer Diversity-Werkstatt, wurde die Anzahl der Bewerber*innen fast verzehnfacht. „Insgesamt war die Passung der Bewerber*innen viel höher als bei der „alten“ Ausschreibung“ sagt Anette Cassel. „Ich haben zudem auf die Anzeige viele positive Rückmeldungen von Bewerber*innen und auch aus meinem Team bekommen.“

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Worauf man bei Stellenausschreibungen achten sollte

Feminin bzw. neutral konnotierte Begriffe

Inhaltsbezogene, beziehungs- und gemeinschaftsorientierte „kommunale“ Formulierungen wie:

  • Eigeninitiativ
  • strukturiert
  • engagiert
  • verantwortungsvoll
  • begabt
  • gewissenhaft
  • kommunikativ
  • kooperationsfähig
  • kontaktfreudig
  • vertrauensvoll
  • kreativ
  • teambildend, teamfähig
  • diplomatisch
  • motivierend

Maskulin konnotierte Begriffe

„Agentische“ Begriffe und mit männlichen Stereotype verbundene Wörter wie:

  • zielstrebig
  • Verhandlungsgeschick
  • durchsetzungsstark, Durchsetzungsvermögen
  • effizient
  • herausfordernd
  • selbstständig
  • offensiv
  • analytisch, analytisches Denken
  • Entscheidungsvermögen
  • erfolgsversprechend