Publikum während der Chef:innensache-Konferenz 2018
Phil Dera

Chefsache-Konferenz 2018 Chef:innensache-Konferenz 2018: „Diversity machen wir nicht aus Mode“

Ob Wirtschaft, Wissenschaft, Profisport oder Mediengeschäft: Wie groß der Unterschied bei den Karrierechancen von Männern und Frauen in Deutschland immer noch ist, diskutierten die Gäste bei der diesjährigen „Initiative Chef:innensache“ Jahreskonferenz im Harnack-Haus der Max-Planck-Gesellschaft in Berlin.

„Die Talente von Morgen gilt es heute zu gewinnen“, betonte Prof. Dr. Angela Friederici, Vizepräsidentin der Max-Planck-Gesellschaft, in ihrer Begrüßungsrede. Nach wie vor sei der Frauenanteil in den obersten Führungsriegen in Deutschland noch viel zu gering – auch in der Wissenschaft. Professionelles und auf rein objektiven Kriterien basierendes Talentmanagement könne zu gleichen Karrierechancen für Frauen und Männer beitragen, und talentierte Frauen sichtbarer machen.

Wie wichtig Diversität im Unternehmen ist, machte Janina Kugel, Arbeitsdirektorin und Vorstandsmitglied der Siemens AG, in ihrem Impulsvortrag deutlich: „Vielfalt ist Fakt, Inklusion eine Wahl. Es kann kein Unternehmen und keine Organisation auf der Welt sagen: Wir können auf ein Talent verzichten.“ Gleichzeitig räumte sie mit einem Vorurteil auf: „Diversity machen wir nicht aus Mode. Die Forschung zeigt, dass vielfältige Teams erfolgreicher sind.“

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Der Macht der „Unconscious Bias“ (unbewussten Vorteile) widmete sich Iris Bohnet, renommierte Verhaltensökonomin und Professorin der Harvard Kennedy School, in ihrer Keynote. Viel zu oft würden Personalentscheidungen durch unbewusste Vorurteile beeinflusst, von denen alle Menschen geprägt seien. Es gehe ein großes Potenzial an Vielfalt verloren, da Führungskräfte häufig vor allem die Talente förderten, die ihnen am ähnlichsten seien. Bohnet zeigte vor allem Lösungsansätze auf: Sie wies auf Verhaltensdesign hin, auf Algorithmen, die Stellenausschreibungen auf geschlechtsverzerrte Sprache hin prüfen sowie auf strukturierte Einzelinterviews und Jobsampletests.

„Vielfalt ist das, was uns wirklich nach vorne bringen kann“

Die Paneldiskussion zum gerade erschienenen Report der Initiative Chef:innensache „Talententwicklung neu denken“ brachte weitere Impulse rund um die Frage der Chancengerechtigkeit. Fränzi Kühne, die Geschäftsführerin der Social-Media-Agentur Torben, Lucie und die gelbe Gefahr, lebt eine Kultur der Vielfalt: „Es ist bei uns eine Selbstverständlichkeit, dass wir flexibel und individuell auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingehen. Das ist nötig, um die Leute zu halten, die wir haben wollen.“ Auch Angelique Renkhoff-Mücke, Vorstandsvorsitzende des Mittelständlers Warema Renkhoff, geht selbst mit gutem Beispiel voran, um Verhaltensmuster und Denkweisen zu verändern. Gute Erfahrungen habe sie mit Mentoring gemacht: „Davon profitieren nicht nur die Frauen, sondern auch die Mentoren, in der Regel Männer.“

Robert Franken, Mitgründer der Plattform „Male Feminists Europe“ forderte, vorhandene Instrumente auch zu nutzen: „Es geht nicht nur um Frauen und Rahmenbedingungen – wir brauchen Vielfalt für alle. Noch nie gab es so viel Technologie, um das hin zu bekommen.“ Katja Kraus, ehemalige Profi-Fußballerin und Geschäftsführerin der Sportmarketingagentur Jung von Matt/sports appellierte: „Es geht um die Talente im Menschen – all das, was wir lernen, wenn wir den eigenen inneren Pfaden viel mehr nachkommen.“

Musikalisches Highlight der Konferenz war Countertenor Georg Bochow, der die Zuhörer mit seiner hohen Stimme in seinen Bann zog. Zunächst hörte man ihn nur und war sich sicher: Das ist eine talentierte Opernsängerin. Als er sich schließlich zeigte, offenbarte sich auch der Bias, dem man erlegen war: hohe Stimme? Das muss eine Frau sein.

In verschiedenen Workshops erhielten die Konferenz-TeilnehmerInnen und Teilnehmer die Gelegenheit, die Impulse des Vormittags praxisnah zu diskutieren und anzuwenden. Im Fokus standen dabei beispielsweise folgende Fragen: Wie können Führungskräfte durch sogenannte „Nudges“ motiviert werden, Talententwicklung stärker in den Fokus zu rücken? Wie setzt man ein Talentprogramm so auf, dass auch Frauen angesprochen werden? Wie lassen sich mit Hilfe von Advanced Analytics aus einer Vielzahl von Datenquellen neue Erkenntnisse in Sachen Talentförderung ziehen? Wie lässt sich klassisches und reverse Mentoring optimal umsetzen? Nicht zuletzt wurde angeregt über die Frage diskutiert: „Diversität & Inklusion: Warum engagieren wir uns eigentlich?“

Was verbindet Sport, Wirtschaft und Kultur in der Talententwicklung, war das Thema der Abschlussdiskussion. Unter den Panelgästen herrschte Einigkeit, dass sich die Kultur innerhalb der Organisation ändern muss, damit Frauen in der Talententwicklung wirklich die gleichen Chancen haben. Sandra Maischberger konstatierte in Hinblick auf ihre eigene Karriere, „mehr Hindernisse als Förderung“ erfahren zu haben. „In den 80er- und 90er-Jahren hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Hälfte der Zuschauer und Zuhörer weiblich ist“, erzählt sie. Davon habe sie letztendlich profitiert. Doch noch immer sei der Frauenanteil vor allem in Führungspositionen in der Medienbranche gering.

Philipp Justus, Vice President Central Europe von Google, geht es beim Thema Vielfalt auch um eine offene Diskussionskultur: „Diversity ist für uns eine Stärke.“, begründet Justus. Auch Heike Ulrich, geschäftsführende Direktorin beim DFB, plädierte für diverse Teams und für eine gezielte Förderung von Frauen: „Frauen im Fußball brauchen Aufmerksamkeit und die Möglichkeiten sich zu präsentieren.“


Impressionen der Veranstaltung finden Sie unter:
www.convent.de/chefsache_galerie