Stifterverband: Audit "Vielfalt gestalten" für Diversität an Hochschulen
Kay Herschelmann

Praxisbeispiel Stifterverband: Audit „Vielfalt gestalten“ für Diversität an Hochschulen

Das Audit „Vielfalt gestalten“ will Hochschulen ermutigen, die mit der Diversität der Studierenden und Beschäftigten verbundenen Herausforderungen anzunehmen, und Wege aufzeigen, wie im Einklang mit dem jeweiligen Profil eine spezifische Diversitätsstrategie (weiter) entwickelt und umgesetzt werden kann.

Das Audit begleitet und berät Hochschulen dabei, Strukturen, Instrumente und Maßnahmen zu konzipieren, um diverse Personengruppen in den Hochschulalltag zu inkludieren. Es verschränkt Elemente der Organisationsentwicklung mit kollegialer Beratung und externer Begleitung. Moderierte Reflexionen und Gespräche mit allen Beteiligten und potenziellen Anspruchsgruppen (Hochschulleitung, Studierende, Beschäftigte) begleiten und fördern den Prozess innerhalb der Hochschule.

Ausgangslage und Zielsetzung

In vielen Hochschulen wird das Thema Diversität diskutiert und verändert den Blick auf Studium und Lehre, auf die Rekrutierung des Personals in Wissenschaft und Verwaltung, auf den Umgang mit den unterschiedlichen sozialen und persönlichen Voraussetzungen für das Studieren und Arbeiten an Hochschulen und insgesamt auf ein diskriminierungsfreies Miteinander an Hochschulen.

Die Diversität der Studierenden in Bezug auf ihren jeweiligen kulturellen und sozialen Hintergrund oder ihre Bildungswege hat im vergangenen Jahrzehnt stark zugenommen, wie folgende Schlaglichter verdeutlichen:

  • Mehr als zwei Drittel der Studierenden (68 Prozent) sind parallel zu ihrem Studium während der Vorlesungszeit erwerbstätig und insoweit faktisch Teilzeitstudierende.
  • 42 Prozent der Studierenden an Universitäten und 58 Prozent der Studierenden an Hochschulen für angewandte Wissenschaften kommen aus Familien, in denen beide Eltern keinen akademischen Abschluss haben.
  • Der Anteil der Studierenden mit Migrationshintergrund liegt bei ca. 20 Prozent.
  • Etwa 10 Prozent der Studierenden sind Bildungsausländer. Etwa jeder fünfte Studienanfänger (20,5 Prozent) hat seine Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben.
  • Elf Prozent der Studierenden fühlen sich durch eine gesundheitliche Beeinträchtigung in ihrem Studium eingeschränkt.

Während die Hochschulen der Diversität ihrer Studierenden inzwischen mit vielfältigen Maßnahmen Rechnung tragen, steht die Berücksichtigung von Diversität in der Personalpolitik in vielen Hochschulen erst am Anfang:

  • Mehr als 67 Prozent der Hochschulen, die an einer Befragung zu Diversität teilnahmen, gaben an das Diversität in der Forschung eher wenig oder gar nicht berücksichtigt wird.
  • Fast 50 Prozent der Hochschulen, die an einer Befragung zu Diversität teilnahmen, gaben an das Diversität in der Personalpolitik eher wenig oder gar nicht berücksichtigt wird.

Insbesondere hinsichtlich der Besetzung von Professuren wäre eine größere Vielfalt wünschenswert:

Nur ca. sieben Prozent der Professuren sind mit ausländischen Wissenschaftlerinnen oder Wissenschaftlern besetzt. Nur jede vierte Professur (24,7 Prozent) ist mit einer Frau besetzt.

Hochschulen können durch eine diversitätssensible Gestaltung von Lehre und Studium, Beratung und Betreuung der Studierenden einen wesentlichen Beitrag zur Erhöhung der Chancengerechtigkeit leisten. Doch auch andere Bereiche des Hochschulmanagements, insbesondere das Personalmanagement und die Nachwuchsförderung, sollten diversitätsgerecht gestaltet werden. Gleichzeitig kann ein wertschätzender Umgang mit Diversität auch ausgrenzenden, diskriminierenden Mechanismen und Tendenzen innerhalb von Hochschulen entgegenwirken.

Ablauf des Auditierungsverfahrens

Das Auditierungsverfahren erstreckt sich über einen Zeitraum von ca. zwei Jahren und besteht aus:

  • dem internen Auditierungsprozess und
  • dem Diversity-Forum.

Der interne Auditierungsprozess

Der interne Auditierungsprozess dient der Entwicklung und Implementierung einer hochschulspezifischen Diversitätsstrategie. Diese sollte die folgenden Handlungsfelder des Hochschulmanagements in den Blick nehmen:

  • Strategie und Struktur
  • Studium und Lehre
  • Service und Beratung
  • Interne Kommunikation und Partizipation
  • Externe Kommunikation
  • Personalmanagement
  • Liegenschaften

Der interne Auditierungsprozess besteht aus fünf hochschulinternen Workshops, die von externen, unabhängigen und fachlich ausgewiesenen Auditoren moderiert und begleitet werden. Diese werden von den Hochschulen aus dem vom Stifterverband bereitgestellten Pool von Auditorinnen und Auditoren selbst ausgewählt.

Zu Beginn und zum Abschluss des internen Auditierungsprozesses erstellt die Hochschule einen Selbstreport. Der erste Selbstreport dokumentiert die Ausgangssituation der Hochschule, insbesondere hinsichtlich der Zusammensetzung der Studierendenschaft und ggf. der Beschäftigten sowie der bereits vorhandenen zielgruppenspezifischen und diversitätsorientierten Angebote, und formuliert mess- bzw. prüfbare Entwicklungsziele, die im Verlauf des Auditierungsverfahrens erreicht werden sollen. Der zweite Selbstreport reflektiert den Auditierungsprozess und bilanziert, inwieweit die selbstgesetzten Qualitätsziele erreicht wurden.

Das Diversity Forum

Parallel zum internen Auditierungsprozess erfolgt im Diversity-Forum ein kollegialer Austausch mit den Hochschulen, die sich zur selben Zeit dem Audit unterziehen. Die Themen, beispielsweise Rekrutierungs- und Auswahlverfahren, Studien- und Prüfungsorganisation, Personalentwicklung, Hochschulmarketing, Change Management, werden mit den teilnehmenden Hochschulen abgestimmt. Neben Expertinnen und Experten aus Hochschule und Wissenschaft können auch Referentinnen und Referenten aus Unternehmen und Kommunen zum Forum eingeladen werden. Die Diskussionsergebnisse und Impulse aus dem Forum fließen wiederum in den internen Auditierungsprozess zurück.

Beim ersten Diversity Forum haben die Hochschulen Gelegenheit, die verfügbaren Auditor/inn/en kennenzulernen. Erst nach diesem Forum entscheidet sich jede Hochschule für eine Auditorin oder einen Auditoren, die oder der den internen Auditierungsprozess jeweils begleitet.

Das Zertifikat

Nach Abschluss des Auditierungsverfahrens verleiht der Stifterverband das Zertifikat Vielfalt gestalten. Dieses ist drei Jahre lang gültig. Für eine Verlängerung ist eine Re-Auditierung erforderlich.

Re-Auditierung

Das Re-Audit dient der Überprüfung, Konsolidierung und Weiterentwicklung der im Erst-Audit erarbeiteten Diversitätsstrategie. Nach erfolgter Re-Auditierung verlängert sich die Gültigkeit des Zertifikats um weitere drei Jahre. Danach wäre eine erneute Re-Auditierung nötig, um das Zertifikat weiter zu führen. Die Re-Auditierung besteht aus einem Selbstreport und einem Peer Review.

Zum Diversity-Forum Audit gibt es auch einen Podcast: hier anhören

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