Nicole Gerhardt, Chief Human Resources Officer und Mitglied des Vorstands der Telefónica Deutschland Holding AG
Telefónica Deutschland GmbH

Mitglied Nicole Gerhardt: „Wir denken häufig nur in Teilzeitmodellen“

Das Telekommunikationsunternehmen Telefónica Deutschland / o2 ist Mitglied der Initiative Chef:innensache. Nicole Gerhardt ist Chief Human Resources Officer und Mitglied des Vorstandes der Telefónica Deutschland Holding AG. Im Interview erklärt sie, wie das Unternehmen Frauen in Führungspositionen erfolgreich machen möchte und warum es auch in der Gesellschaft ein Umdenken geben muss.

Warum engagieren Sie sich für die Initiative Chef:innensache?

Bei Telefónica Deutschland / o2 setzen wir uns für Chancengleichheit und Vielfalt von Perspektiven, unterschiedlichen Hintergründen und persönlichen und beruflichen Erfahrungen ein. Denn wir glauben, dass wir mit kognitiver Vielfalt den zunehmend komplexen Herausforderungen unserer Zeit besser begegnen können.

Unterschiedliche Perspektiven bereichern Diskussionen, dazu gehört auch ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis.

Unser Bestreben, Frauen in Führungspositionen erfolgreich zu machen und ihren Anteil im Top-Management zu erhöhen, haben wir fest in unseren Unternehmenszielen verankert und sind bereits vergleichsweise stark aufgestellt. Als eines der wenigen börsennotierten Unternehmen im DAX oder MDAX haben wir zwei Frauen im Vorstand. Im Top-Management liegen wir bei einem Frauenanteil von fast 28 Prozent.

Unsere Haltung – sowie unsere Ansätze zur Förderung der Vielfalt – wollen wir mit der Initiative Chef:innensache noch stärker in die deutsche Wirtschaft tragen.

Aus welchem Grund sollte es mehr Frauen in Führungspositionen geben?

Wenn es um die Beurteilung von Leistung und den nächsten Karriereschritt geht, sollte das Geschlecht keine Rolle spielen. Vielmehr ist es wichtig, was die Person mit an den Tisch bringt. Primär geht es um gute Führung. Das ist bei heterogenen Teams fast noch wichtiger als bei homogenen.

Es gibt zahlreiche kompetente Frauen mit viel Potenzial für Führungspositionen. Wir sollten sie noch stärker ermutigen, ihre Karrierechance zu ergreifen. Allerdings reicht eine Beförderung nicht aus. Wir müssen sie auch gut vorbereiten und stetig entwickeln, damit sie in ihrer Rolle erfolgreich sein können. Dazu gehört für mich auch, dass sich Frauen neue Kompetenzen aneignen, etwa Digital- und Datenkompetenzen.

Wie unterstützen Sie Ihre Teams bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Wir sind bereits im vergangenen Jahr mutig vorangegangen: Unsere „5 Bold Moves“ stehen unter anderem für viel Flexibilität bei der Wahl von Arbeitsort und -zeit. Virtuelle Meetings sind auch in Zukunft unser Standard, wir führen ergebnisorientiert und Dienstreisen reduzieren wir perspektivisch um 70 Prozent.

Diese Schritte in der neuen digitalen Arbeitswelt haben auch positiven Einfluss auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und unterstützen individuelle Lebensmodelle. In unseren regelmäßigen Mitarbeiterumfragen messen wir, wie das Thema Gleichberechtigung und Chancengleichheit intern wahrgenommen wird und erreichen hier Zustimmungswerte von weit über 90 Prozent. Unser Engagement wird auch extern honoriert: Ende Januar sind wir zum zweiten Mal in Folge in den viel beachteten Bloomberg Gender-Equality Index (GEI) aufgenommen worden.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist allerdings nicht nur ein Thema für den Arbeitgeber. Es braucht auch politische und private Rahmenbedingungen. Und ein ganz klares Umdenken in der Gesellschaft. Frauen ebenso wie Männer sollten mehr Wahlfreiheit haben, wie sie ihren Arbeitsalltag gestalten und Zeit mit der Familie verbringen. Es sollte dabei völlig normal werden, dass sich Frauen und Männer Job und Familie ihren individuellen Lebensmodellen entsprechend aufteilen – in den skandinavischen Ländern wird das bereits deutlich stärker gelebt. Wir denken in Deutschland häufig nur in Teilzeitmodellen. Besser fände ich es, wenn wir es Frauen und Männern ermöglichen, flexibler zu arbeiten – auch in Vollzeit.

Welche Maßnahme zur Förderung von Chancengerechtigkeit hatte in den vergangenen Monaten den größten Impact in Ihrem Unternehmen?

Der Launch unserer „5 Bold Moves“ und damit die Definition unserer neuen Arbeitswelt hat sicherlich einen wesentlichen Beitrag geleistet. Die starke Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort bietet neue Möglichkeiten für die Gestaltung des Arbeitsalltags – gerade für Eltern. Damit haben wir hervorragende Erfahrungen gemacht. Die Mitarbeiterzufriedenheit ist noch weiter gestiegen. Und auch die Produktivität hat nicht gelitten, ganz im Gegenteil.

Darüber hinaus setzen wir auf Zugang zu Weiterbildung und Entwicklung für alle unsere Mitarbeiter. Jeder soll die Möglichkeit haben, sich Zukunftskompetenzen anzueignen. Dafür fokussieren wir uns schon lange auf Digital- und Datenkompetenzen. Ganz aktuell haben wir eine „digitale Grundausbildung“ gestartet, die allen Mitarbeitern einen Grundstock an digitalen Kompetenzen bietet.

Um gezielt auch Frauen in Führungspositionen weiterzuentwickeln, setzen wir unter anderem auf individuelle Entwicklungspläne, die persönliche Fähigkeiten und Potenziale, ebenso wie individuelle Lebensumstände berücksichtigen.

Perspektivisch erwarte ich, dass die neue Arbeitswelt eine positive Wirkung auf die Chancengerechtigkeit der Geschlechter im Unternehmen haben wird.

Welche Rolle spielt Führung in Sachen Chancengerechtigkeit?

Die Führung spielt eine Schlüsselrolle. Heterogene Teams sind nicht automatisch erfolgreicher. Es kommt auf den Kontext an. Wenn es beispielsweise um Standardgeschäft und reine Effizienz in einem stabilen Umfeld geht, dann kann ein gut eingespieltes homogenes Team durchaus erfolgreich sein. Mit steigender Komplexität und Veränderungs- oder Innovationsnotwendigkeit sind heterogene Teams jedoch überlegen.

Das gilt aber nur, wenn Führungskräfte die Diversität im Team auch aktiv nutzen. Sie sollten eine Atmosphäre von gegenseitiger Wertschätzung im Team schaffen, die es jedem ermöglicht, seine Perspektive an den Tisch zu bringen. Und dann müssen sie diese unterschiedlichen Perspektiven auch moderieren, damit aus diversen Teams erfolgreiche Teams werden. Dazu wollen wir unsere Führungskräfte befähigen.

Nicht zuletzt ist es wichtig, dass wir an allen Stellen im Unternehmen die Vorteile von Diversität inklusive der Geschlechtervielfalt vorleben – auch oder gerade im Vorstand.

Welche persönliche Eigenschaft hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg am meisten geholfen und aus welchem Grund?

Ich hatte schon immer einen starken Gestaltungswillen und wollte die Dinge in meinem Umfeld besser machen. Den einen festen Karriereplan hatte ich gar nicht – sondern Spaß an dem, was ich gemacht habe und den Mut, Karrierechancen zu ergreifen, wenn sie sich mir geboten haben. Natürlich hatte ich auch Respekt vor neuen Aufgaben. Aber ich hatte das Selbstvertrauen, dass ich da reinwachsen werde. Dazu möchte ich auch gerne mehr Frauen ermutigen.

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