Fünf Menschen stehen zusammen und schauen gemeinsam auf ein Klemmbrett
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Chancengleichheit Diversity Management umfasst mehr als nur die Frauenquote

Diversity Management fördert mehr als die Chancen­gleich­heit von Frau und Mann. Als Teil der Unter­nehmens­strategie kann es ein entscheidender Wirtschafts­faktor sein und Innovation ermöglichen.

Aynur Boldaz-Özdemir ist „erfolg­reich anders“. Während viele Unter­nehmen ihre Diversity-Aktivitäten vor allem auf Frauen konzentrieren, fasst die deutsche Unter­nehmerin türkischer Herkunft das Diversity Management in ihrem Unter­nehmen weiter. In ihrem Gebäude­reinigungs­unter­nehmen Forever Clean stellt sie bevor­zugt Frauen mit Migrations­hinter­grund, Lang­zeit­arbeits­lose sowie Menschen mit Behinderung ein und bezahlt alle gleich. Ein Grund­prinzip, das ihr Unter­nehmen stark macht.

Inklusion als Teil des Diversity Managements

Seit 2004 verbindet Aynur Boldaz-Özdemir ihre wirt­schaftlichen Ziele mit Inklusion. Mehr als 400 Menschen arbeiten für Forever Clean in Deutschland und den Nieder­lassungen in der Türkei und in Öster­reich. 35 Prozent der Angestellten in Deutsch­land haben eine Behinderung. „Selbst­verständlich gibt es bis­weilen organisatorische Heraus­forderungen – Behörden, Betreuung, Zuständig­keiten. All das spielt eine wichtige Rolle. Das Wichtigste aber ist: Man muss jedem Menschen eine Chance geben, manchmal auch mehrere“, sagt Boldaz-Özdemir. Das Ergebnis: eine geringe Mit­arbeiter­fluktuation, welche die Ein­gliederungs­kosten ausgleicht, und zufriedene Kunden. Ein Konzept, das im deutschen Mittel­stand noch selten ist. Das „Aktion Mensch“-Inklusions­baro­meter 2016 zeigt, dass die Inklusion am Arbeits­markt nur langsam vorangeht. Die Arbeits­losen­quote von Menschen mit Behinderung lag im vergangenen Jahr mit 13,4 Prozent fast doppelt so hoch wie die Quote von Menschen ohne Behinderung. Die für das Inklusions­baro­meter befragten Mittel­ständler konnten keine Leistungs­unter­schiede zwischen ihren Angestellten mit und ohne Behinderung fest­stellen. Arbeit­geber, die noch keine Erfahrungen mit der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung haben, äußerten wiederum Bedenken bezüglich ihrer Leistungs­fähig­keit.

Alle an Bord

Unternehmen müssen Männer stärker über Elternzeit und Teilzeitarbeit informieren.
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Unternehmen müssen Männer stärker über Elternzeit und Teilzeitarbeit informieren.

Bezogen auf die Arbeitswelt, geht es im Umgang mit Vielfalt sowohl um sichtbare als auch um unsicht­bare Gemeinsam­keiten und Unter­schiedlich­keiten der Angestellten, wie etwa Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung, ethnische Herkunft oder Religion. Bei der Deutschen Telekom hat Diversity Management einen festen Platz in der Unter­nehmens­kultur. Dr. Christian P. Illek, Personal­vorstand der Deutschen Telekom, sagt: „Gelebte Vielfalt ist für die Innovations­fähig­keit und Krisen­festig­keit eines Unter­nehmens unent­behrlich. Wer Vielfalt in der DNA seines Unter­nehmens fest verankert, legt zugleich einen Bau­stein für wirtschaftlichen Erfolg.“ Der Konzern nutzt unter anderem ein talent­orientiertes Auswahl­verfahren für Auszubildende, bei dem nicht der Noten­durch­schnitt entscheidend ist, sondern die für den Aus­bildungs­gang relevanten Stärken. Auf den Management­ebenen gilt eine selbst gesetzte Frauen­quote von 30 Prozent, und ein „Supervisory Board Readiness“-Programm bereitet Frauen gezielt auf eine Aufsichts­rats­tätig­keit vor. Dass Diversität ein Wirtschafts­faktor ist, weiß auch die Forever Clean-Geschäfts­führerin Boldaz-Özdemir gut: „Bisher nicht genutzte Arbeits­kraft­ressourcen bedeuten ein erhebliches Potenzial für die deutsche Wirtschaft.“ Diversity Management kann nur gelingen, wenn es fester Bestandteil der Unter­nehmens­strategie ist und alle Mit­arbeitenden einbezogen werden. Boldaz-Özdemir: „Eine Unternehmens­kultur vor­zugeben ist nur dann erfolg­reich, wenn sie auch gelebt wird. Manchmal muss einfach nur der erste Schritt getan werden.“

Flexible Zeitmodelle

Im Caritasverband für die Diözese Speyer setzt man auf flexible Arbeits­zeit­modelle und Geschlechter­gerechtig­keit. Caritas­direktor Vinzenz du Bellier sagt: „Arbeits­gruppen besetzen wir bewusst alters- und geschlechts­über­greifend, da wir der Über­zeugung sind, so eine bessere Ergebnis­qualität zu erzielen.“ Mit einer Studie zum Thema „Frauen in Führungs­positionen“ stellte sich die Caritas dem Thema Chancen­gleich­heit in den eigenen Reihen. Eine der zentralen Erkenntnisse: In der Unter­nehmens­kultur verankerte Geschlechts­stereo­typen hemmen die Chancen­gleich­heit wesentlich. Das 2012 begonnene Projekt „Gleich­gestellt in Führung gehen“ entwickelte neben Maßnahmen zur Personal­entwicklung ein Netzwerk für Führungs­frauen in der Caritas sowie einen Praxis­leit­faden für Caritas-Organisationen. Projekt­leiterin Anne-Kerrin Gomer sagt: „Oft gehen Organisationen davon aus, dass sie keinen Handlungs­bedarf haben, weil sie niemanden aktiv diskriminieren. Doch Chancen­gerechtig­keit braucht mehr – und gelingt nicht durch bloßes Unter­lassen von aktiver Diskriminierung.“

Männer integrieren

Wie wichtig es ist, Männer miteinzubeziehen, haben die Mit­arbeitenden der Unter­nehmens­beratung McKinsey erkannt. Das Projekt „Manbassador“ soll Männern unbewusste Vor­urteile im Berufs­all­tag verdeutlichen. Gruppen­diskussionen und der persönliche Erfahrungs­austausch klären zu Themen wie „Mansplaining“ oder unter­schiedlichen Kommunikations­stilen auf.

Viele Männer stecken noch heute in alten Rollenbildern fest, was oft ein unausgewogenes Verhältnis von Beruf und Familien­leben zur Folge hat, beschreibt der US-amerikanische Soziologe Michael Kimmel im Online-Themen­dossier des Vereins Charta der Vielfalt. Und das, obwohl Männer und Frauen sich laut Kimmel gleicher­maßen „eine bedeutsame Karriere, ein erfüllendes Familien­leben und ein Arbeits­umfeld, das sie dabei unter­stützt“ wünschen. „Den Schaden, tragen nicht nur Mit­arbeiter­innen und Mit­arbeiter, sondern auch ihre Arbeit­geber. Sie verschleißen Arbeits­kraft und machen sich für nach­wachsende Talente unattraktiv“, so Kimmel.

Der Begriff der Inklusion

Die Begriffe Diversity und Inklusion sind eng miteinander verbunden. Im Deutschen zwar nicht, im englischen Raum aber gehen die Begriffsdefinitionen deutlich weiter. Da gehört die Inklusion zu einer Dimension der Diversity.

Wenn also die Rede von Inklusion ist, dann bedeutet es letztendlich die Anpassung der Umgebung an die Voraussetzung aller Menschen. Ob das nun Barrierefreiheit ist oder Chancengleichheit spielt dann keine Rolle mehr.