Yvonne von de Finn und Dirk Könen
Initiative Chef:innensache

Praxisbeispiel Duale Karriere: „Das wichtigste ist Flexibilität – von beiden Seiten“

Yvonne von de Finn und Dirk Könen haben zwei Kinder und verfolgen beide ihre Karrieren. Das bedeutet nicht nur für sie ein Höchstmaß an Organisation und Flexibilität, sondern auch von ihren Arbeitgebern. Im Interview erzählen sie, wie sie duale Karriere und Familie managen und warum bei ihnen Rollenverständnisse neu definiert werden.

Zu den Personen

Yvonne von de Finn ist seit 2,5 Jahren Head of Culture, Diversity und Survey bei der Deutschen Telekom. Zuvor hat sie mehr als zwölf Jahre bei L‘Oréal gearbeitet – unter anderem in Paris und in Düsseldorf

Dirk Könen ist Head B2C Business, Executive Committee Member, BNP Paribas S.A., Consors Finanz. Die beiden haben zwei Kinder: eine Tochter (13 Jahre) und einen Sohn (11 Jahre). Die Familie lebt in Bonn.

Wie arbeiten Sie aktuell?

Sie: Wir beide arbeiten Vollzeit, haben aber schon sehr viele verschiedene Arbeitszeitmodelle durchprobiert.

Er: Eine Zeit lang haben wir aber beide nur 80 Prozent gearbeitet.

Wie kam das?

Sie: Als meine Tochter gerade einen Monat alt war, bekam ich von meinem damaligen Chef bei L’Oréal das Angebot, nach Paris zu gehen. Ich habe sechs Monate Elternzeit genommen und dann ging’s los. Als ich dort angefangen habe zu arbeiten hat Dirk sieben Monate Elternzeit genommen. Danach sind wir wieder nach Deutschland gegangen und haben wieder beide 80 Prozent gearbeitet.

Warum haben Sie das so entschieden?

Sie: Wir wollten eine Balance schaffen: Zeit mit der Familie verbringen und gleichzeitig unsere Karrieren voranbringen. Daher war diese Konstellation für uns die beste.

Er: Damals war ich Bereichsleiter bei der Dresdner Bank. Aber ich war der erste Bereichsleiter bei der Dresdner Bank, der in Elternzeit gegangen ist. Vermutlich auch der erste, der in Teilzeit zurückgekommen ist. Es gab ein paar Frauen, die ein ähnliches Modell hatten – aber zu dem Zeitpunkt eben auch noch kein Mann. Das war ein bisschen exotisch.

Gab es da Widerstände?

Er: Nein, angefeindet wurde ich deswegen nicht, eher beneidet, weil ich die Möglichkeit bekommen hatte. Am Ende hängt es aber ganz stark am Vorgesetzten. Ich habe meinem Chef damals die Situation und mein Vorhaben erläutert. Seine Antwort: Das kommt nicht so oft im Leben vor, also mach das!

Wie haben Sie die Betreuung geregelt, als ihre Kinder klein waren?

Sie: Unsere Kinder sind in eine private Kita gegangen. Unsere Tochter ist da sehr gern hingegangen. Unser Sohn hatte damit aber so seine Probleme. Wir haben dann entschieden, die Kinder nur halbtags in den Kindergarten zu geben und zusätzlich eine Kinderfrau zu beschäftigen.

Warum haben Sie sich damals für eine private Kita entschieden?

Sie: Weil die Kita bis 19 Uhr geöffnet hatte. Das war aber gleichzeitig auch das Problem: Die Kita hatte zwar so lange auf, aber alle anderen Kinder wurden bereits um vier abgeholt. Nur unsere Kinder saßen dann noch in dieser riesigen, leeren Kita. Aus diesem Grund haben wir uns dann für eine Kinderfrau entschieden: Die Kinder wurden dann zur gleichen Zeit wie alle anderen abgeholt.

Was hat das Jonglieren mit Familie und Beruf leichter gemacht?

Sie: Das wichtigste ist Flexibilität – von beiden Seiten. Wer Flexibilität von seinem Arbeitgeber verlangt, der muss auch selbst Flexibilität zurückgeben können. Und es war tatsächlich so, dass sich unsere Vorgesetzten immer auf uns verlassen konnten. Natürlich sind wir an unseren freien Tagen auch ans Telefon gegangen. Und wenn die Hütte brannte, dann waren wir auch da.

Er: Es ist ein Geben und Nehmen. Flexibilität bedeutet auch, mal von zu Hause zu arbeiten. Und wenn es dann doch zu Hause brennt, dann gibt es im Zweifel auch immer noch andere Leute, die berufliche Termine wahrnehmen können. Aber das Einräumen dieser Freiheiten steht und fällt mit dem Vorgesetzten. Ich kann nur sagen, dass ich da sehr zufrieden bin da es meistens gut funktioniert.  Wenn eins der Kinder krank ist oder wir beide gleichzeitig Termine haben, dann bekommen wir es immer irgendwie koordiniert.

Welche Angebote machen Ihre Arbeitgeber?

Sie: Die Telekom ist sehr breit aufgestellt: unterschiedlichste Teilzeit-Modelle, aber auch Arbeiten im Home-Office oder von unterwegs sind bei der Deutschen Telekom schon beruflicher Alltag. Flexibler, mobiler und digitaler. Die Arbeitswelt verändert sich und Kommunikationstechnologien ermöglichen es heute, bequem E-Mails von unterwegs zu beantworten oder sich auf Geschäftsreisen virtuell in Meetings einzuwählen.  Wir bieten aber auch unterschiedliche Mentoring Programme, Stay-inContact-Programme in der Elternzeit bis hin zu Family Approach bei Auslandsentsendungen. Geholfen hat mir aber immer das Vertrauen der Vorgesetzten: dass mir auch Jobs angeboten wurden, obwohl ich Kinder habe. Das Selbstverständnis, Menschen zu ermutigen, was Neues zu wagen.

Er: Neben den vielen Programmen geht es vor allem um die kulturelle Frage: Wie wird Flexibilität im Unternehmen gelebt? Welche Vorbildfunktion haben die Vorgesetzten – angefangen beim CEO bis hin zu den anderen Führungskräften. Wenn alle es vorleben und akzeptieren, und das ist bei uns der Fall dann braucht es auch nicht unbedingt 72 Modelle. Das ist für mich essenziell.

Welche Unterschiede gab es beim Thema Kinderbetreuung und Karriere in Frankreich?

Sie: Es gibt dort so viele Kitas – das ist wirklich super. Mütter arbeiten dort schon sehr früh wieder. Allerdings haben wir dort keinen Platz bekommen, weil wir nur für den Auslandseinsatz dort waren. Es gibt in Frankreich aber auch ein sehr gutes Netzwerk an Kinderfrauen und Internetplattformen, auf denen man eine Kinderfrau zum Teilen mit anderen Familien finden konnte. Sprich: Eine Kinderfrau hat mehrere Familien, die nah beieinander wohnten, betreut.

Sie arbeiten beide Vollzeit – wie ist die Akzeptanz?

Er: Unter Freunden und von der Familie wird es akzeptiert. Aber gesellschaftlich nicht. Wir werden immer wieder gefragt, warum wir Kinder bekommen haben, wenn wir doch eh nur arbeiten. In Frankreich ist es vollkommen normal, dass beide Partner voll arbeiten. In Deutschland ist die Akzeptanz einfach auch nicht so hoch – sicherlich auch aus historischen Gründen.

Sie: Schon als ich schwanger war und sagte, dass ich nach sechs Monaten wieder arbeiten gehen wollte, habe ich häufig zu hören bekommen: „Warum bekommst du überhaupt Kinder und gehst dann auch noch nach Paris?“

Wie war das beim zweiten Kind?

Sie: In Frankreich war das einfacher. Dort hat es eine größere Normalität, dass Kinder auch schon früher in den Kindergarten gehen. Da habe ich mich auch in der Tat nicht so schlecht gefühlt. In Deutschland ist mein Sohn mit acht Monaten in die Kita gekommen. Da hatte ich immer ein latent schlechtes Gewissen.

Was müsste die Politik noch ändern, damit Karrieren von Mann UND Frau gleichzeitig gefördert werden?

Sie: Der Ausbau von Kitaplätzen würde helfen. Es muss aber auch sichergestellt werden, dass dann der Betreuungsschlüssel hoch genug und die Qualität gesichert ist. Es gibt einfach nicht viele Erzieher.

Er: Ein wichtiger Schritt war sicher das Elterngeld, weil dadurch auch Väter häufiger Elternzeit genommen haben. Das Kernproblem ist aber nach wie vor die Betreuung.

Wie ist das in eurem Freundes- und Bekanntenkreis? Sind da viele Väter in Elternzeit gegangen?

Er: In meinem Bekanntenkreis kenne ich keinen einzigen.

Frage: Waren Sie kein Vorbild für andere?

Er: Meine Freunde sind eher traditionell eingestellt.

Sie: Ich kenne auch nicht viele. Die, die es gemacht haben, haben eher deutlich kürzer Elternzeit genommen.

Welche Rolle spielen die eigenen Eltern? Waren sie Vorbilder?

Er: Meine Eltern haben sich getrennt und dann hat meine Mutter als Alleinerziehende Vollzeit gearbeitet. Insofern kenne ich das klassische Rollenmodell so nicht.

Sie: Wir sind insgesamt drei Kinder. Meine Mutter war zu Hause und mein Vater war berufstätig. Das war sehr klassisch.

Er: Wir haben zu Hause ein eigenes Rollenverständnis entwickelt. Ich gehe einkaufen und koche. Und Yvonne mäht den Rasen. (lacht)

Frage: Und was sagen die Kinder? Nehmen sie wahr, dass der Mann den Haushalt macht?

Er: Ich denke schon. Mein Sohn ist sehr interessiert am Kochen.

Sie: Zumindest wollen sie nicht, dass ich koche. Sie wollen, dass der Vater kocht.

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