Michael Baumann, Vizepräsident für zentrale Aufgaben und Vertreter des Präsidenten
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Interview BND: „Nachfrage nach Führung in Tandems ist enorm hoch“

Der Bundesnachrichtendienst (BND) ist nicht nur der Auslandsnachrichtendienst der Bundesrepublik Deutschland, sondern gleichzeitig auch Arbeitgeber. Vizepräsident Michael Baumann erklärt im Interview, warum sich der BND als Mitglied in der Initiative Chef:innensache engagiert und welche Unterstützung die Mitarbeiter*innen bei Vereinbarkeit von Familie und Beruf erhalten.

Warum engagieren Sie sich für die Initiative Chef:innensache?

Wir möchten aktiv und nach außen ein Statement für Chancengerechtigkeit abgeben. Für uns ist das ein eher ungewöhnlicher Schritt, arbeiten wir beim BND doch grundsätzlich im Geheimen. Bei diesem Thema muss das aber anders sein. Noch immer haben wir als Nachrichtendienst ein männlich geprägtes Image, James Bond lässt grüßen. Das wollen wir ändern! Intern setzen wir zahlreiche Maßnahmenpakete zur Förderung von Chancengerechtigkeit und Diversität um. Der Austausch mit anderen Mitgliedern der Initiative Chef:innensache ist dabei enorm hilfreich, um diese Maßnahmen zu diskutieren und neue Ideen zu entwickeln.

Aus welchem Grund sollte es mehr Frauen in Führungspositionen geben?

Die Herausforderungen globaler Sicherheit, mit denen sich der BND beschäftigt, werden zunehmend komplexer und vielfältiger. Um auch künftig unseren Auftrag erfüllen zu können, müssen wir die Potentiale jedes einzelnen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter optimal entwickeln und zudem hoch motivierte Fachkräfte rekrutieren. Dazu ist es unabdingbar, strukturelle, potentiell diskriminierende Hemmnisse zu identifizieren und abzubauen. Und dazu gehört auch, aber nicht nur, dass wir auf Führungsebene mehr weibliche Role Models haben. Eine gelebte Diversität auf Führungsebene wirkt sich positiv auf Agilität und Motivation und damit auf die Leistungsfähigkeit der Teams aus.

Wie unterstützen Sie Ihre Teams bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf?

Als öffentlicher Träger bieten wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein hohes Maß an Sicherheit. Idealerweise verbringen sie ihr ganzes Arbeitsleben bei uns. Entsprechend bieten wir vielfältige Möglichkeiten, je nach Lebensphase und individuellen Bedürfnissen den beruflichen Alltag und die private Lebenssituation in Einklang zu bringen, etwa durch einen selbstverständlichen Wechsel zwischen Teil- und Vollzeit oder flexible Arbeitszeitgestaltung.

Welche Maßnahme zur Förderung von Chancengerechtigkeit hatte in den vergangenen Monaten den größten Impact?

Wir haben im Jahr 2020 im BND eine umfassende Gleichstellungsstrategie verabschiedet, die alle Abteilungen einbezieht. Dazu wurden verschiedene Maßnahmenpakete entwickelt, so z.B. zu den Themen „Gleichstellung bei Beurteilungen und Beförderungen“, „Diversität als Ziel im Einstellungsprozess“ oder „Controlling der Personalgewinnung und -entwicklung in Bezug auf Gleichstellungsfragen“. Lassen Sie mich hier zum Beispiel ein Projekt zum Job Sharing in Führungspositionen hervorheben. Dabei können jeweils zwei Mitarbeitende in Teilzeit gemeinsam als Führungs-Tandem Verantwortung übernehmen. Die Resonanz ist sehr groß, was bedeutet, dass es hier offensichtlich einen großen Bedarf gibt. Das hat uns sehr bestärkt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Welche Rolle spielt Führung in Sachen Chancengerechtigkeit?

Nachrichtendienste leben davon, die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Voraussetzung dafür ist ein hohes Maß an Eigenständigkeit und Kreativität auf Seiten unserer Mitarbeitenden. Wenn ich nicht der Vielzahl von Wettbewerberinnen und Wettbewerbern um die besten Gedanken gleiche Chancen einräume, bleiben wir im Bekannten stecken, bzw. rufen nicht die geforderten Potentiale ab. Das heißt, gerade die Führung muss darauf achten, dass jeder die gleichen Chancen erhält. In unserer Gleichstellungsstrategie binden wir deswegen ganz gezielt die Führungskräfte ein, die den Gedanken der Chancengerechtigkeit nicht nur in ihren Bereichen implementieren, sondern ihn auch in ihrem eigenen Handeln abbilden sollen. So wird im BND selbstverständlich auch die oberste Leitungsebene in die Mentoring-Programme für angehende weibliche Führungskräfte einbezogen.

Wie bekämpfen Sie ganz persönlich unbewusste Vorurteile? Welche persönliche Eigenschaft hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg am meisten geholfen und aus welchem Grund?

Von Vorurteilen kann sich niemand freisprechen, also ich auch nicht. Ich glaube daher, man muss die eigenen Vorurteile zunächst als solche erkennen, um aktiv gegen sie vorgehen zu können. Dabei hilft mir persönlich, dass ich ein kommunikativer Mensch bin, der sich auch selbst immer wieder hinterfragt. Mir hat diese Eigenschaft auf meinem eigenen Karriereweg sehr geholfen. Ich habe in meinem Berufsleben mit vielen Personen aus verschiedenen Kulturkreisen und mit sehr unterschiedlichen Hintergründen und Erfahrungen zusammengearbeitet. Dabei habe ich oft erlebt, dass man auf sehr unterschiedlichen Wegen zum Erfolg kommen kann. Voraussetzung dafür ist es aber, den offenen Dialog zu führen und andere, auch „heterodoxe“ Meinungen in Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen. Die Bereitschaft, die eigene Position im Austausch mit anderen immer wieder neu zu überdenken, halte ich für zentral, um meiner Verantwortung als Führungskraft gerecht zu werden.

Gibt es eine weibliche Führungspersönlichkeit, die Sie bewundern und wenn ja welche und aus welchem Grund?

Es gibt nicht die eine. Ich habe in meinem Berufsleben zahlreiche weibliche Führungspersönlichkeiten kennengelernt, die mich beeindruckt und geprägt haben. Gerade in Krisensituationen habe ich es oft erlebt, dass Frauen mit klaren Positionen und einem hohen Maß an Verantwortungsbewusstsein mutige Entscheidungen getroffen, das Handeln maßgeblich bestimmt haben und damit letztlich auch Menschenleben gerettet haben. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen lösen sich klassische Rollenstereotype schnell auf.

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